Wie date ich am besten? 1. Teil: Online-Dating

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Das Leben als Therapeutin kann ganz schön anstrengend sein, wenn man immer topaktuell informiert sein will. Aus diesem Grund habe ich mich einige Zeit in das Münchener Dating-Leben gestürzt und einiges ausprobiert. Online und Offline wohlgemerkt. Dabei bin ich teilweise über mich selbst hinausgewachsen. Davon berichte ich in diesem zweiteiligen Blogbeitrag ausführlich.

Vor zehn Jahren war (wirklich) alles anders

Wie das immer so ist, wenn die Gesellschaft (zu der wir übrigens alle beitragen) in eine neue Richtung aufbricht und erst dann „aufwacht“, wenn das Schiff bereits Schlagseite hat. Dann nämlich  wird das Ruder blitzschnell herumgerissen und ab geht´s wieder in die Gegenrichtung.

Das ist ähnlich wie bei den Diäten: erst werden acht Kilo radikal weggefastet, um danach innerhalb kürzester Zeit zehn davon wieder zuzunehmen. Ich kenne inzwischen wieder Leute, die ihr Handy abgeschafft haben und zahlreiche Menschen, die sich aus WhatsApp & Co. samt der diversen Gruppen verabschieden. Sie kippen von einen Extrem ins andere. In meinen Augen übrigens keine gute Lösung.

Wie war Online-Dating vor zehn Jahren

Noch vor zehn Jahren haben Klienten hinter vorgehaltener Hand auf die Frage, wie sie sich denn kennengelernt haben, geantwortet: Im Internet… hihi… Dabei haben sie sich mit roten Bäckchen angeschaut. In den letzten Jahren ist die Art des Kennenlernens in der Paartherapie gang und gebe. Berufstätige Menschen haben abends keine Zeit und eine Lust mehr, durch Bars und Clubs zu ziehen, um potentielle Partner aufzutun und das Ansprechen fremder Menschen ist für viele bis heute schwierig. Da kam die Partnersuche via Internet den gestressten Arbeitnehmern doch gerade recht. Zumindest eine Zeit lang.

Denn inzwischen ist vielen das Online-Dating auch schon wieder zu aufwendig und es wurde längst durch Flirt-Apps wie Tinder, Lovoo, Bumble usw. ersetzt. Wie ein Klient neulich beinahe empört zu mir sagte, dass alle seine Freunde und Bekannten schon lange nicht mehr in den traditionellen Plattformen wie Parship, Elite-Partner & Co. unterwegs seien und er hoffe, mir nicht zu nahe zu treten (vermutlich spielte er auf unseren nicht ganz unbedeutenden Altersunterschied an). Ich gebe zu, Recherchen auf diesen Apps habe ich tatsächlich lange gemieden.

Bumble – eine unkomplizierte App

Eine Freundin von mir, die perfekt in die Generation Dating via Smartphone passt, berichtete von einer kostenfreien App, in der ausschließlich Frauen bestimmen, mit wem sie Kontakt haben und Männer von sich aus nicht schreiben können. Klingt nach spamfreiem Dating, dachte ich, und wenig später installierten wir Bumble auf meinem Handy. Die App ist niedlich und ansprechend gemacht, überall erscheinen Bienchen und Honigtöpfchen, jedoch bleibt die angebliche Kostenfreiheit nur erhalten, wenn man die extrem gepixelten Fotos in Kauf nimmt (was eher im Hochrisikobereich anzusiedeln wäre – siehe dazu den Trend Love Scamming).

Tatsächlich wahr ist, dass die Kontaktaufnahme nur seitens der Frauen gestartet werden kann. Der Angeschriebene hat daraufhin maximal 24 Stunden Zeit für seine Antwort und das macht doch etwas Stress und kann schnell zu einer kleinen Nebenbeschäftigung werden, wenn man Erfolg haben möchte. Großes Manko: Man kann die eigene Standorteinstellung nicht abschalten, so dass jeder Nutzer sehen kann, wo man sich gerade befindet. Auffällig für mich war, dass ca. 50% die englische Sprache verwendeten und als Standort „Flughafen Franz-Josef-Strauss, München“ angeben war. Ob es dort ein Single-Nest gibt? Da will ich doch nur hoffen, dass es sich hierbei um keine Romance Scammer (das sind quasi so was wie digitale Heiratsschwindler) handelt.

Parship – eine sehr schwerfällige Sache

Meinen letzten Rechercheversuch bei Parship hatte ich im vergangenen Jahr gestartet. Immerhin bietet der angebliche Marktführer eine kostenfreie Probezeit für journalistisch tätige Menschen an. Bewusst wollte ich herausfinden, wie viel Eigeninitiative nötig ist, um entsprechende Matchs zu Dates werden zu lassen. Im ersten Teil meines Tests habe ich zehn vorgeschlagene Männer angeschrieben, jeden einzelnen individuell und respektvoll. Dafür hatte ich mir ausreichend Zeit genommen (und ich glaube, ich kann ganz gut schreiben). Ergebnis: Nur ein einziger der Partnervorschläge schickte ein abgehacktes „Hallo“ und drei Minuten später noch eine genauso verwirrende wie merkwürdige Standardabsage, die Parship für die schreibmüden Nutzer bereitstellt, dass ich ihm zu weit entfernt wohne. Hää? Na gut, sei es wie es ist. Die anderen Kandidaten hatten nicht einmal dafür Muße.

Einige Monate später startete ich einen weiteren Probemonat, den mir die Presseabteilung freundlicherweise noch zubilligte, denn ich wollte nicht aufgeben, weil sich doch immerhin alle elf Minuten angeblich ein Single über diese Plattform verliebt… Was habe ich falsch gemacht? Von meinen Klienten hatte ich leider auch wenig Gutes gehört, so dass ich mich herausgefordert fühlte, die Situation persönlich zu checken. Diesmal tat ich einfach gar nichts. Nichts. Ich sah auf keinem Profil nach, ich schrieb niemanden an, sondern ich wartete, ob sich bei mir jemand melden würde. Aber nichts geschah. Nach dem vierwöchigen Probeabo war das Resultat: Zwei(!) Personen waren immerhin auf meinem Profil zu Besuch (also nur gucken). Ein ganz schön teurer Spaß für diese magere Ausbeute. Mmm, wie das mit dem Werbeslogan „11 Minuten“ zustande kommen soll, weiß ich wirklich nicht und zweifle stark daran. Weiterhin erkannte ich, dass Respekt auf dieser Plattform Seltenheitswert zu haben scheint. Als ich kürzlich mit Kolleginnen darüber sprach, erfuhr ich, dass der Respekt auf Casual Dating-Portalen auffallend groß sei. Vielleicht entschließe ich mich, das eines Tages auch noch zu recherchieren;-).

eDarling – auch eine merkwürdige Datingplattform

Weil alle immer von Parship und Elite Partner sprechen, vor allem die unrealistische TV-Werbung, dachte ich, dass eine etwas kleinere und nicht so bekannte Plattform auch mal einen Test wert wäre. Vielleicht suchen meine Klienten ja nur im falschen Portal? Ich entschied mich letztendlich für eDarling. Trotz der Weigerung des Unternehmens, einen Pressezugang bereitzustellen, wollte ich es trotzdem wissen. Die übliche Prozedur folgte, in dem ein umfangreicher Fragebogen ausgefüllt werden musste, dem anschließend die Matchings folgten. Es waren erstaunlicherweise nicht einmal zwanzig. Ich musste an den Spruch einer Kollegin denken: Ab 50 sind wir Frauen unsichtbar. Solche Gedanken will ich gar nicht haben. Auf Youtube fand ich ein Video, das zeigt wie viel wahrscheinlicher es ist, online einen Partner zu finden (die gingen aber von 100 Matchs aus…). Naja, dachte ich, vielleicht tut sich ja noch etwas. Leider tat sich nicht mehr viel. Ab und zu erhielt ich eine E-Mail mit dem Hinweis auf eine Neuanmeldung, die ich mir ansehen könnte. Ich kam zu dem Schluss, dass eDarling irgendwie ein weiteres Portal ohne viel Charme und noch dazu mit einem sehr unübersichtlichen Postfach ist.

Ich musste jetzt wieder an meinen Klienten denken, der mir behauptete, wie „out“ das traditionelle Dating doch sei und jeder, der was auf sich hält, per App flirtet. Ich befürchte nun fast, er könnte recht haben…

Fazit – Onlinedating

Verglichen mit meinen Recherchen für mein erstes Buch vor ca. zehn Jahren, empfinde ich einen extremen Unterschied zu heute. Das mag entweder daran liegen, dass ich selbst älter geworden bin (und das mit dem Unsichtbarsein ab 50  vielleicht  doch stimmt im Gegensatz zu 40…) oder dass der Respekt im Internet wirklich flöten geht, weil es einfach Alltag geworden ist. Wo sich früher noch jemand die Mühe gemacht hat „Liebe Grüße“ zu schreiben, ist heute nichts mehr oder im besten Fall noch ein getipptest „lg“. Von Anreden ganz zu schweigen. Und vor lauter gleichförmigen Kontakten, wissen viele kaum mehr, wer wer ist, denn parallel fahren alle Benutzer. Blöd nur, wenn der Überblick verloren geht.

Möglicherweise hätte ich das ganze Projekt auch produktiver und vor allem initiativer betreiben können und sollen. Die Zeiten, in denen Männer Frauen ansprechen sind wohl endgültig vorbei. Wenn man Online-Dating sinnbringend nutzen will, sollte man auf jeden Fall über ausreichend Zeit verfügen, denn es ist ein Nebenjob und frisst unfassbar viel Zeit und Energie. Ich kann Klienten jetzt viel besser verstehen, wenn Sie von Dating-Burnout sprechen und das war ja der Grund meiner Recherche.

Hier geht es zu meinen spannenden Erfahrungen beim Live-Tindern und Social-Matchen

 

Foto: © Privat

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