Narzisstische Beziehungen

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Es wird viel über Egoismus und Narzissmus geschrieben und ich denke, gerade weil darüber gesprochen und diskutiert wird, zeigt sich hier etwas, das uns alle angehen sollte. Ob es sich bei diesem Thema um einen Wandel in der Gesellschaft handelt, wie einige Autoren behaupten, vermag ich nicht zu beurteilen. Egoistische und egozentrische Menschen gab es schon immer, aber vielleicht haben wir heute die Zeit und die Möglichkeiten uns damit detaillierter auseinanderzusetzen.

Jeder hat narzisstische Anteile

Mir ist wichtig, dass wir uns über die Bedeutung des beinahe schon inflationären Begriffs „Narzissmus“ einig sind. Viele Menschen wissen nicht, dass jeder Mensch über narzisstische Persönlichkeitsanteile verfügt. Ebenso wie über depressive, abhängige, zwanghafte (usw.) Anteile auch. Man kann sagen, dass eine gesunde Psyche sich sogar genau darüber definiert. Ein gesunder Narzissmus ist also ein wichtiger Bestandteil unserer Persönlichkeit und einigen täte es sogar gut, wenn sie ihren (gesunden) Egoismus etwas mehr ausbilden würden.

Narzissmus – eine Persönlichkeitsstörung?

Narzissmus in starker Ausprägung allerdings zählt im klinischen Sinn zu den Persönlichkeitsstörungen, ansonsten spricht man von Persönlichkeitsstrukturen oder -anteilen. Alle Persönlichkeitsstörungen sind auch immer Beziehungsstörungen, weil das Leben Beziehung ist. In meiner Beziehungspraxis kommen Narzissten daher sehr häufig vor und zwar in völlig unterschiedlichen Stadien. Es ist nach meiner Definition eine Spektrum-Störung, die nicht unbedingt eine Diagnose braucht, aber auf eine Partnerschaft oder Beziehung wirklich massiv einwirkt. Selten ist es schwarz oder weiß zu betrachten, sondern das am häufigsten vertretene Spektrum liegt irgendwo dazwischen im Graubereich. Und mit diesen Klienten haben wir es am häufigsten zu tun.

Der Männliche Narzissmus

Ist besser unter „grandiosem“ Narzissmus bekannt oder wird auch harter Narzissmus genannt. Er kommt viel häufiger bei Männern vor und zeichnet sich wie folgt aus:

  • Mehr Haben als Sein, alles dreht sich um Status
  • Abwertendes Verhalten, Geringschätzung
  • Machtspielverhalten (dabei will er natürlich oben sein)
  • Emotional von der Partnerin abhängig
  • Echte Augenhöhe ist ihm fremd
  • Oft notorischer Lügner
  • Egoistisch und egozentrisch
  • Aggressiv (entweder körperlich, emotional, verbal oder alles vereint)
  • Misst immer mit zweierlei Maß
  • Er mag keine schwachen und/oder kranken Menschen
  • Kritikunfähig (auch wenn diese gesungen wird;-))
  • Umgibt sich mit Stiefelleckern, die ihm stets zustimmen und abhängig von ihm sind
  • Es geht nie um andere, sondern immer um ihn und seinen Vorteil
  • Wenn jemand ihm nichts bringt, wird derjenige abgestoßen oder aussortiert (Kontaktabbrüche)
  • Unsozial, hat null soziale Kompetenz
  • Fehlende Empathie

Die Liste kann so oder so ähnlich weitergeführt werden und beschreibt einen stark ausgeprägten „Männlichen“ Narzissten. Man kann sich kaum vorstellen, dass jemand freiwillig mit einem Menschen in Beziehung tritt, der diese Eigenschaften aufweist. Aber das ist in meiner Praxis gang und gebe. Natürlich sind diese Partnerschaften weit entfernt von Wertschätzung, Respekt und vor allem Liebe. Zu einer Partnerschaft mit einem „Männlichen“ Narzissten muss dieser auch immer auf einen „Weiblichen“ Narzissten treffen. Denn es handelt sich keineswegs nur um Pech in der Liebe oder um ein schlechtes Händchen bei der Partnerwahl, sondern um das Schlüssel-Schloss-Prinzip oder Topf-auf-Deckel-Prinzip. Beide finden sich mit fast schlafwandlerischer Sicherheit. Wenn man also Beziehungen mit narzisstischen Strukturen öfter oder immer wieder erlebt, lohnt es sich durchaus, genauer bei sich selbst hinzuschauen., denn die eigenen narzisstischen Anteile sorgen für die entsprechende Anziehung eines narzisstischen Partners.

Der Weibliche Narzissmus

Der weiche Narzissmus, der auch unterwürfig genannt wird, kommt häufiger bei Frauen vor. Die Merkmale sehen wir folgt aus:

  • Mehr Haben als Sein, alles dreht sich um Status
  • Optik sprich Figur und Aussehen sind immens wichtig, häufig übertriebenes Sportverhalten
  • Körperwahn und Jugendlichkeit stehen ganz oben, häufig Schönheits-OPs, Diäten oder Esstörungen
  • Machtspielverhalten
  • Ihre „Währung“ ist oft der Sex
  • Hochmanipulativ
  • Spielen Menschen aus, sind oft „falsche Schlangen“
  • Sind emotionale Erpresserinnen
  • Obwohl sie gute Ausbildungen haben, sind sie finanziell oft vom Mann abhängig und lieben Luxus
  • Wirken immer sehr freundlich und offen
  • Haben nur Menschen um sich herum, die ihnen Vorteile bringen (in der narzisstischen Gesellschaft)
  • Oft sogenannte Opfermenschen (z.B. sind immer die Anderen schuld)
  • Machen andere Menschen von sich abhängig (kaufen sich die Liebe)
  • Haben gern Kontrolle über andere
  • Eifersüchtig, neidisch und missgünstig
  • Oft Suchttendenzen (Alkohol, Drogen, Kaufsucht, Sportsucht usw.)

Diese Liste könnte man noch beliebig verlängern. Sie soll Einblick geben, wie weibliche Narzissten häufig ticken. Auch wenn sie nicht mit der Heftigkeit der männlichen Seite daherkommen, ist auch ihr Part nicht unerheblicher.

Fazit

Narzisstische Paare kommen in der Praxis sehr häufig vor, weil sie immer in Machtkämpfe verstrickt sind und sich dann entweder trennen oder Unterstützung suchen um eine Trennung abzuwenden. Allerdings sind sie an echter Therapie selten interessiert, sondern wollen lediglich den Partner davon überzeugen, dass dieser sich im Unrecht befindet und erwarten diese Parteilichkeit auch vom Therapeuten.

Obwohl viele meiner Kollegen nicht gerne mit Narzissten arbeiten (weil sie mitunter sehr anstrengend sein können), finde ich, dass sie extrem spannende Menschen sind und wenn es mit viel Wohlwollen und offenem Herzen gelingt, ihr Vertrauen und damit einen Zugang zu ihnen zu finden, ist die Arbeit mit ihnen wirklich überwältigend. Ich unterscheide Narzissten in drei Kategorien: den Unbelehrbaren, den Bewussten und denjenigen, der sogar schon (ein bisschen) über sich selbst lachen kann.

Nächste Woche geht es hier weiter mit den narzisstischen Beziehungen, wie sie beginnen und wie sie sich entwickeln und leider auch oft enden.

 

Foto: © Alexandra Hartmann

 

 

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