Noch jemand Angst vorm Tod?
Der Tod hat derzeit eine beeindruckende Medienpräsenz und dieser Umstand macht es uns ganz schön schwer, das für viele unangenehme Thema erfolgreich zu verdrängen. Aber was ist eigentlich daran so angsteinflößend, dass wir glauben, damit nicht umgehen zu können?
Weil uns der Tod immer mit der eigenen Endlichkeit knallhart konfrontiert. Und das macht Angst. Große Angst. Doch früher oder später werden wir nicht umhin können, uns damit auseinanderzusetzen und den Umgang mit Abschied und Trauer kann man in gewissem Maße lernen. Auf den Tod selbst kann man sich wohl nur schwer vorbereiten. Wir interpretieren unsere Gefühle, die durch Tod und Abschied aufkommen, in der Regel als negativ, weil sie äußerst schmerzhaft sind und uns meist an den Rand des Erträglichen bringen. Ich kenne nur wenig Menschen, die sich dem Ganzen angemessen stellen; die meisten schieben es beiseite.
Dabei ist ab unserer Geburt nichts so sicher, wie unser Sterben. Lediglich eine zeitlich begrenzte Lebenszeitspanne steht uns zur Verfügung, die wir bestmöglich nutzen und für diese geschenkte Zeit dankbar sein sollten. Denn wir wissen nie, wann sie endet. Leicht gesagt.
Aus diesem Grund finde ich die aktuellen Diskussionen über Palliativmedizin, Sterbehilfe & Co. so wichtig, damit unsere Kultur den Umgang mit Trauer und Trauernden endlich wieder lernen kann.
Provokative Fragen
In der Psychologie werden gerne und immer öfter provokative Fragen zum eigenen Sterben gestellt. Diese „Schocktherapie“ könnte in etwa so klingen: „Was glauben Sie, wird am Ende Ihres Lebens auf Ihrem Grabstein stehen?“ (Mögliche und häufige! Antwort: „Sie hat es immer allen recht gemacht …“)
Oder: „Was würden Sie tun, wenn Sie wüssten, dass Sie nur noch 24 Stunden zu leben hätten?“ (Mögliche und häufige! Antwort: „Mich um meine Frau und Kinder kümmern und Ihnen sagen, wie sehr ich sie liebe …“)
Ich denke, dem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Tod können Menschen mehr Bewusstsein erlangen. Besonders für den Moment – das Hier und Jetzt. Dass wir nicht unendlich viel Zeit haben, können wir uns auch nicht oft genug klarmachen. Und wir die Dinge, die uns wirklich wichtig sind, eines Tages vielleicht nicht mehr nachholen können, wissen wir eigentlich auch. Worauf warten wir also dauernd? Weil wir es meist nur rational verstehen und nicht emotional spüren. Auch nicht spüren wollen, weil wir Angst davor haben.
Trauer in der (Paar)Therapie
Trauer erscheint mir wie ein Bumerang-Thema, das heißt, ganz egal wie weit er geworfen wurde, er kommt früher oder später zu uns zurück. Und nicht nur das, sondern zu einem Zeitpunkt, an dem wir nicht damit rechnen. Es ist, als wenn der Bumerang durch den weiten Wurf erst richtig an Fahrt aufgenommen hätte, und seine Rückkehr trifft uns nun umso zielsicherer.
Ich durfte bisher mit vielen Menschen arbeiten und habe immer wieder festgestellt, dass verdrängte und nicht gelebte Trauer ein Riesenthema in der Therapie ist. Auch wenn Klienten in aller Regel nicht deshalb den Weg zu mir finden, sondern der Weg zum Therapeuten zunächst meist aufgrund von Partnerschaftskonflikten angetreten wird.
Immer wieder erlebe ich Klienten in berührenden Situationen, wenn ich sie „nur“ nach einigen Menschen in ihrer Geschichte frage und rasch klar wird, wenn unverarbeitete Trauer am Werk ist. Die Reaktionen meiner Klienten überraschen sie häufig selbst völlig, weil sie glaubten, dass sie entweder längst darüber hinweg wären, das alles doch schon so lange her sei oder sie „eigentlich“ keine tiefe emotionale Bindung gehabt hätten. Denkste.
Es geht hierbei nicht nur um den Tod von Eltern, sondern genauso um verstorbene Geschwister, Freunde, Verwandte, Suizide, Abtreibungen, Fehlgeburten und so weiter. Trauer ist auch nicht gleichbedeutend mit Tod, denn unverarbeitete Beziehungen, Trennungen, Kontaktabbrüche und dergleichen fordern genauso einen Trauerprozess. Und das alles das einen enormen Einfluss auf die Beziehung eines Paares hat, wird in meinem Augen häufig unterschätzt.
Fazit
In meinen Augen heilt die Zeit allein keine Wunden, sondern alles hängt davon ab, wie wir die Zeit genutzt haben, um unsere Wunden zu verarzten. Sich zusammenzureißen, verdrängen oder betäuben sind definitiv keine Wege, um der Trauer einen angemessenen Raum zu geben. Und deshalb ist es so wichtig, sich dem Thema wirklich zu stellen, auch wenn es schmerzt. Denn, es (be)trifft jeden einzelnen von uns!
Vom Umgang mit Tod & Trauer erzählt uns eine wunderbare Frau, die es wirklich wissen muss. Nebenbei ist sie seit langem eine meiner wichtigsten Lebensbegleiter. Von ihr lerne ich täglich, dass jeder Tag das letzte Fest sein kann. Danke, Nic!
In der sehenswerten BR-Doku „Der Tod bringt mich nicht um“ erfahren wir, wie lebendig ein Mensch sein kann, der seine Berufung durch den Tod gefunden hat und dabei auch noch Spaß am Leben hat.
Foto: © Torsten Schlemmer