Wenn Frauen in der Partnerschaft zur Mutti werden (1. Teil)
Wenn Paare in die Beratung kommen, bei denen im „Grunde“ alles gut ist, wie sie von sich behaupten, bezieht sich das meistens nur auf die Außensicht. Es sind diejenigen Paare, bei denen Hauen und Stechen nicht an der Tagesordnung ist und der gesamte Freundeskreis würde auch niemals ein Problem bei ihnen vermuten. Dies wird auch immer sehr stark betont. Das einzige Problem, wenn man das denn überhaupt als solches definieren kann, weil es ja eigentlich nicht das Allerwichtigste ist (sagen diese Paare), stellt die Sexualität dar. Meistens ist es zumindest für einen der Partner aber doch wichtig genug, dass es für eine Terminvereinbarung reicht;-).
Wer meinen Blog schon länger liest, weiß, dass mangelnde oder fehlende Sexualität viele Ursachen haben kann, aber heute möchte ich eine ganz konkrete Situation beleuchten, nämlich wenn Frauen in der Partnerschaft zur Mutti werden, also „muttieren“.
Aus Frau wird Mutti
Die Mutter-Sohn-Beziehung ist die gängigste Schieflage, die in der Praxis vorkommt. Frauen beschweren sich im Erstgespräch darüber, dass sie alles machen müssen, dass der Mann völlig unselbständig sei, er nie etwas von alleine täte und sie keine Lust mehr dazu haben und sogar schon öfter an Trennung denken würden. Sex gibt es zwischen schon lange nicht mehr oder jedenfalls so gut wie keinen. (Manchmal kommen zu diesem Zeitpunkt auch schon Affären zur Sprache).
SIE fühlt einen erheblichen Mehraufwand in der Verantwortlichkeit gegenüber den Kindern, dem Haushalt und vielen weiteren Bereichen. Beim Partner hingegen verbleibt nur ein geringer Teil. Es ist deutlich sichtbar, dass die Frau in einer permanenten Überforderungssituation steckt. Nachvollziehbar, wenn man sich vorstellt, eine Beziehung allein zu führen. Hier gibt es keinen Raum für Sexualität und sexuelle Energie kann sich in dieser Konstellation auch nicht entwickeln. Das ist zunächst der Status Quo der Frau.
Aus Mann wird Sohn
Der Mann berichtet, dass er anfangs sehr wohl einiges im Haushalt gemacht habe und betont häufig, dass es schließlich auch ein Leben vor seiner Frau gab, welches er gemeistert habe. In der jetzigen Beziehung habe er aber sehr schnell gemerkt, dass er es einfach nicht recht machen könne. Immer habe sie etwas zu beanstanden gehabt. Es würde immer verbessert, gemeckert, genörgelt. Irgendwann wurde ihm das zu blöd und er habe aufgegeben. Dann soll sie es doch selber machen!
ER streitet nicht ab, dass er zugelassen hat, von seiner Partnerin zum Zahnarzt oder zur Vorsorgeuntersuchung geschickt worden zu sein. Auch nicht, dass er seine Frau ermächtigt hat, darüber zu entscheiden, wie man den Haushalt führt, wohin man in den Urlaub fährt wird und was die Kinder anzuziehen haben. Sie ist es auch, die an die Weihnachtskarten denkt, sie sogar schreibt und Geburtstagsgeschenke für seine(!) Verwandtschaft besorgt. All das hat er viel zu lange zugelassen und sich auch ein Stück entmannen lassen!
Irgendwann kollabiert das System
Häufig braucht es einen Auslöser von außen, damit es zwischen dem Paar zu einer echten Auseinandersetzung kommt. In dieser Krise kommen die Menschen dann zu uns, um sich Begleitung und Unterstützung zu holen.
Leider ist es oft mit einem schmerzhaften Prozess verbunden, denn wir Menschen brauchen als Motivation auch immer einen gewissen Leidensdruck. Freiwillig verändert niemand etwas. Im Fall der Schieflagen-Paare muss es oft geschehen, dass einer von beiden eine Affäre hat (die jetzt aufgeflogen ist). Der Zauber dieser Affären beinhaltet in aller Regel, dass der Affärenpartner einem (endlich!) auf Augenhöhe begegnet, was das eigene Gefühl der Männlichkeit oder Weiblichkeit befeuert. Diese Sehnsucht war immer da, Was aber nicht erkannt wird, sind die eigenen Anteile daran, dass die Kernbeziehungspartner sich beide(!) schon lange nicht mehr als Mann und Frau begegnen. Sie hängen in einer Mutter- und Sohnrolle fest, die erst einmal Erkenntnis braucht, um verändert werden zu können. Die Außenbeziehung lenkt lediglich vom Eigentlichen ab und hier steckt die Chance zu Wachstum.
Eine weitere Krise entsteht häufig durch die langjährige Überforderung der Frau. Sie ist und war schlichtweg mit der Gesamtsituation überfordert ist, was kaum verwundern dürfte. Gerade wenn echte Kinder dazu kommen, ist die Grenze der Belastung schnell erreicht. Die Frauen sprechen von einem Kind mehr, also der Partner wird tatsächlich als Kind gesehen und gezählt.
Bevor jetzt vielleicht vorschnelle Urteile entstehen, möchte ich auf die Bedeutsamkeit von Mutter-Sohn-Beziehungen hinweisen. Die größte Hürde für den Therapeuten ist, das Paar damit zu konfrontieren, denn die Abwehr ist gerade hier extrem stark. Welche Frau will schon als „Mutti“ und welcher Mann als „Sohn“ in seiner bis dato gleichgestellt wahrgenommenen Partnerschaft betrachtet werden? Und ganz ehrlich: dass sich die Lust hier verabschiedet hat, ist kein Wunder, denn wer will schon mit seiner Mutti Sex haben!
Nächste Woche geht es in einem 2. Teil weiter mit den „Vorteilen“ von Schieflagen-Beziehungen, deren Auswirkungen und warum Mütter ihren Söhnen beinahe alles vergeben…
Foto: © Privat (München)