Wie date ich am besten? 2. Teil: Live-Dating

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Im Bestreben, die Dating-Umstände meiner Klienten bestmöglich nachzuvollziehen zu können, habe ich mich in selbst in den aktuellen Dating-Methoden upgedatet und war die letzten Monate dafür in München unterwegs. Über Online-Portale und Apps habe ich im letzten Blog-Eintrag berichtet und heute geht es um Live-Dating. Dazu habe ich unter anderem ein Event von Radio Gong 96,3 besucht, wovon ich gerne berichten möchte.

Das Pferd von vorne aufzäumen (= Offline-Dating)

Früher (ich muss das tatsächlich verwenden), also früher, lernte man sich meistens kennen, indem in der Disco oder auf der Freizeitheim-Party (in meiner Jugend) heimlich Blicke ausgetauscht wurden, vielleicht mit einem gelegentlichen Lächeln und dann kam es irgendwie, wenn der Mann (da war das noch so) mutig genug war, zu einem ersten Kontakt. Mitunter hat man zusammen etwas getrunken oder getanzt, oft gelacht und wenn es sich gut anfühlte, tauschte man am Ende des Abends Telefonnummern aus. Ganz früher übrigens waren es Festnetznummern (wer die noch kennt), bei deren Wandanschlüssen zu Hause ständig überprüft wurde, ob der Stecker auch richtig drin war, weil man so sehr hoffte, dass derjenige endlich anrufen würde (also keine Online-Dauerkontrolle wie bei WhatsApp) . Dann traf man sich weitere Male und beschnupperte sich mehr und mehr. Das heißt, man „bestieg“ das Pferd erst, nachdem es ausreichend „getestet“ wurde und Stück für Stück in der richtigen Reihenfolge aufgezäumt wurde.

Das Pferd von hinten aufzäumen (= Online-Dating)

Beim Online-Dating wird ganz klar das Pferd von hinten aufgezäumt. Menschen verlieben sich nur durch den digitalen Kontakt, BEVOR sie den anderen überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Diese Verliebtheitsgefühle entstehen durch Geschreibsel, Stimme, aber ganz bestimmt auch immer durch die Suche nach Anerkennung. Je größer der Hunger danach ist, desto anfälliger sind die Menschen für Illusionen und Vorstellungen, die wir vom anderen haben. Wir verlieben uns nicht in einen anderen Menschen (auch wenn das wahrscheinlich jetzt niemand hören möchte), vor allem dann nicht, wenn wir ihn gar nicht kennen, sondern wir verlieben uns immer nur in unsere Projektion! Das zu erkennen, erscheint mir äußerst wichtig. Nicht umsonst haben sog. Love- oder Romance-Scammer (das sind die digitalen Heiratsschwindler) so ein leichtes Spiel.

Je länger der digitale Kontakt vor dem ersten Treffen dauert, umso mehr steigt die Gefahr, sich eine Illusion vom anderen aufzubauen. Meistens ist die Realität sehr ernüchternd und das ist noch freundlich ausgedrückt. Gefördert wird die Illusion durch irreführendes fotografisches Material und die große Diskrepanz zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung. Die Verwendung von Uralt-Fotos und die Beschreibung der eigenen Persönlichkeit haben mit der Realität meist wenig gemein. Das ist unfair und im Grunde als Betrug anzusehen. Nachdem ich von Klienten sehr oft solche oder ähnliche Geschichten höre, wollte ich selbst abchecken, ob die Münchner Live-Datingszene besser aussieht, als die Online-Welt.

Socialmatch – ein Spiel für Singles auf Partnersuche

Die Werbung von Socialmatch lautet: „Spielend neue Leute kennen lernen in München. Triff mit Socialmatch neue Leute in Deiner Stadt bei einem spaßigen Abend“. Das klingt ziemlich entspannend und hat auch keinen so peinlichen Datingcharakter, wie ich fand. Das Konzept beschreibt Socialmatch wie folgt: „1 Bar, 10 Teilnehmer, 1 Spiel.“ Mmm… dachte ich, ein Spiel? Ich habe schon immer gern gespielt (Spieleabende scheinen ja auch eher ein Auslaufmodell zu sein. Nachdem ich noch etwas haderte,  überzeugte mich die Aussage: „Die Alternative zum Speed Dating in München. Lerne bei Socialmatch andere Münchener Singles bei einem tollen Abend kennen“, dann zur Anmeldung. Es sei noch erwähnt, dass die jeweiligen Treffen in drei Altersgruppen (20-35, 30-45, 40-60) eingeteilt sind. Den Ort der Veranstaltung bekommt man erst kurz vorher per E-Mail mitgeteilt. Wie spannend, fand ich! Und mich äußerst mutig.

Um ehrlich zu sein, traf ich dann mit einer Kollegin im Schlepp, im Münchner Parkcafé ein. Es war ein Tisch reserviert… auf den Namen „Socialmatch“… Eine Frau saß am Tisch und wir stellten uns einander vor. Schlag auf Schlag (jeder Neuankömmling begrüßte die Anwesenden mit Handschlag) vergrößerte sich die Teilnehmerzahl und schon bald bestand die Gruppe aus fünf Frauen, drei Männern und einer Spielleiterin. Zwei der fünf angemeldeten Herren glänzten leider mit Abwesenheit. Vielleicht hatte sie in letzter Minute der Mut doch noch verlassen…

Ich sag mal so, der Abend war gelungen und durchaus mit Spaß und Lachen begleitet. Diesem Anspruch wurde das Event absolut gerecht, vor allem weil die Spielleiterin sehr sympathisch war, wenn auch für die Altersgruppe der Teilnehmer sehr jung (sie hätte unser aller Tochter sein können…). Wenn man einen netten Abend verbringen möchte, vielleicht neu in München ist, oder seinen Freundeskreis erweitern will, dann ist man hier richtig. Auf den Dating-Aspekt bezogen, ist tatsächlich eher der Tigerangriff zu erwarten, als der Volltreffer in der Liebe, zumal es sich in diesem Experiment mehr um einen Mädelsabend gehandelt hat. Aber man weiß ja nie, wann es einen trifft.

Live-Tindern kann man auch

Valentinstag 2019: Im Vorfeld habe ich für den Münchner Sender Radio Gong 96,3 einige Töne mit Fragen rund um die Liebe erstellt. Dabei erfuhr ich vom größten Speed-Dating der Stadt. Das klang interessant für meine Recherchen. Ich erhielt die Gelegenheit die Veranstaltung zu besuchen und musste lediglich mein Alter angeben (53). Einige Tage vorher beschlich mich irgendwie das Gefühl, wie wahrscheinlich es wohl sei, dass Münchner Singlemänner um die 50 zu einem derartigen Event gehen würden… Auf meine Nachfrage beim Sender kam keine Antwort.

Mit meiner Recherche wollte ich herauszufinden, ob und welche Menschen persönliches Kennenlernen dem Online-Dating vorziehen. Diesmal noch mutiger, nämlich ganz alleine und ohne jegliche Verstärkung, stand ich dann am Valentinstag gegen 19:30 Uhr vor der Münchner 089-Bar (ich war dort mal vor ein paar Jahren, was meine Kinder bis heute peinlich finden;-)) in einer Schlange an. Zwei (junge) Frauen vor mir sprachen miteinander, als wenn sie sich schon ewig kennen würden. Hinter mir ein paar Männer, auch jeweils in Zweiergrüppchen. Merkwürdig, dachte ich, vielleicht hätte ich doch nicht alleine kommen sollen? Bevor sich größere Zweifel breit machen konnten, rutschte ich schnell zum Einlass vor und bekam eine Spielkarte, die ich gut aufheben sollte.

Nach der Garderobenabgabeprozedur landete ich in der Bar, an dessen Seiten sich schon einige Leute herumdrückten. Der Raum selbst erschien mir groß und leer. Jeder Neuankömmling erhielt ein Begrüßungsgläschen, so dass ich nicht ganz so allein war. Ich presste mich zwischen zwei „Pärchen“ an eine freie Stelle der Bar und wunderte mich weiter, dass auf einer Single-Veranstaltung niemand als solcher auftrat. Nachdem ich mir das hereinströmende Publikum ansah, ahnte ich, dass sich mein Gefühl bzgl. der Altersgruppen, bestätigen würde, denn die Gäste schätzte ich zwischen 25 und 35 Jahre alt. Ich dachte, wenn ich nicht aus beruflichen Gründen hier wäre, würde ich sofort nach Hause auf mein vertrautes Sofa gehen, statt so zu tun, als wenn ich nach keinem Partner Ausschau hielte.

In einer Ecke sehe ich endlich einen Mann, der wenigstens eine Vier davor haben dürfte. Er kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich überlege… Woher kenne ich den bloß? Dann fiel es mir ein… Er war einer der drei Männer, die vor einigen Wochen bei dem Socialmatch-Gedöns im Parkcafé dabei war. Ja klar! Er schien sich nicht mehr zu erinnern. Naja, wer weiß, bei wie vielen Events er in der Zwischenzeit sonst noch war. In einer Ecke entdeckte ich noch einen Typ jenseits der 30, der aussah wie George Clooney, nur in Böse. Ansonsten nur junge Leute und fast niemand war alleine da.

Dann forderte eine Moderatorin zu einem Spiel auf. Ich war davon ausgegangen, dass die Gäste schon zu Beginn in entsprechende Altersgruppen eingeteilt würden, stattdessen standen alle wie auf einem Stehempfang einfach nur herum und jeder guckte (natürlich immer völlig unbeteiligt) in der Menge umher. Von der Moderatorin erfuhr ich, dass München angeblich aus 46% Singles besteht, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann. Vermutlich ist das eine Erhebung aufgrund des Wohnraumes und daher nicht alltagstauglich. Meine Klienten nämlich, vor allem die männlichen, haben nach viel zu kurzer Zeit sofort die nächste Partnerin im Boot. Meine Erfahrung ist, dass sich kaum jemand nach einer Trennung ausreichend Zeit für Abschied, Trauer und Verarbeitung nimmt (und seine Themen dann auch leider mit in die nächste Beziehung schleppt).

Aber zurück zum Spiel. Wir wurden aufgefordert, uns alle in eine Reihe aufzustellen; Frauen und Männer gegenüber. Es dauert eine Weile, bis so eine große Meute richtig platziert ist. Die Moderatorin erklärte, dass man angeblich nur 30 Sekunden braucht, um zu erkennen, ob einem das Gegenüber sympathisch ist (das hatte ich im Interview tatsächlich gesagt) und daher erhielten die Männer 30 Sekunden Zeit etwas zu sagen, bis der Wechsel wiederum für eine halbe Minute eingeläutet wurde.

Mein erstes Gegenüber, Max (Name geändert), war 32 und neu in München. Weil es sehr laut war, mussten wir ziemlich nah zusammenrücken, um uns gegenseitig ins Ohr zu brüllen. Max roch angenehm und hatte eine schöne Stimme. Erstaunlich, was na in 30 Sekunden alles wahrnimmt, wenn man bewusst darauf achtet! Viel zu schnell piept es und Max muss weiterziehen. Fast ein bisschen schade.  Ich konzentrierte mich nun auf einen hochgewachsenen Mann, der immerhin schon 40 war. Physiker von Beruf. Und Sportlich. Meine Wahrnehmung: Nett, nicht unsympathisch, aber 30 Sekunden haben auch gereicht. Nächste Runde: Maurice (Name ebenfalls geändert), Alter blieb zwar unerwähnt, aber er sorgte dafür, dass ich von seinem bevorstehenden Sabbatical-Jahr erfuhr, in dem er Kinder in Afrika retten wolle. Warum in aller Welt sucht er dann hier und ausgerechnet jetzt eine Frau, fragte ich ich. Seine Stimme war zu piepsig, sein Hemd zu weit aufgeknöpft und sein Duft unangenehm. Nach einigen weiteren Runden, in denen ich von meiner aufgestellten 30 Sekunden-Regel immer mehr begeistert war, ging die erste Spielrunde zu Ende. Meine Geduld auch und ich habe mich verabschiedet. Nett wars, schön wars, Investigationsauftrag ausgeführt.

Fazit – Dating ist einfach anstrengend

Ich will es kurz machen: Jede Form des Kennenlernens hat Vor- und Nachteile. Ob man nun das Pferd von vorn oder hinten aufzäumt, ob der Mensch dem Mensch begegnet oder die Illusion der Illusion; am Ende scheint Portal und App oder die Begegnung im Bus oder auf einer Party völlig unerheblich, wenn die Zeit für ein Zusammentreffen gekommen ist:-).

Ich bin davon überzeugt, dass die besten Dinge im Leben einen finden und nicht gesucht werden können, egal wie krampfhaft man darum bemüht ist. Dennoch sollt man seine „Hausaufgaben“ immer machen und nicht hinter der verschlossenen Wohnungstür auf den Prinzen mit dem weißen Schimmel warten. Es braucht weiterhin eine offene Haltung, um überhaupt zu erkennen, dass man etwas (also den Prinzen oder die Prinzessin) gefunden hat.

So viele Menschen suchen händeringend nach Partnern und betreiben ihre Suche bis zum Dating-Burnout, der das Selbstwertgefühl extrem schädigt. Vor lauter Suchen bemerken sie nicht, dass sie sich erst einmal selbst ein guter Partner werden müssten.

Hier geht es zu meinen Erfahrungen beim ONLINE-Dating und zum 1. Teil des Artikels…

 

Foto: © Privat

 

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